Mama Boreout: schon mal gehört? Ich habe es gestern gegooglet und doch einiges zu dem Thema gefunden (die Boreout-Definition findet ihr hier). Also bin ich nicht die Einzige, der es so geht. Auch, wenn es bei mir irgendwie weiter zu greifen scheint.
Mama boreout – der Weg zur Erkenntnis
Ja, der Weg zur Erkenntnis war – zugegebenermaßen – sehr lang. Meine Odyssee des letzten Jahres hatte ich ja letztens erst aufgeschrieben und immernoch fehlt(e) mir jede Idee, woher die Übelkeit kommt. Ich sagte zwar im Mai schonmal zu meiner Schwiegermutter, dass mir irgendwie der Auftrag fehlt, aber wirklich ernstgenommen habe ich die Aussage nicht. Vielmehr war in meinem Kopf verankert, wie ich denn bitteschön arbeiten sollte, wenn mir immer nur übel ist. Zuerst müsste ich das in den Griff bekommen.

So, wer jetzt kein Jammern auf hohem Niveau lesen will, der klicke bitte hier weg.
Es ist so, dass ich mich schon früh irgendwie gelangweilt habe, mit meinem Neugeborenen und auch mit einem Kleinkind und später zwei Kleinkindern. Ich spiele nicht besonders gern und irgendwie widerholt sich ja in so einem Alltag mit Kindern auch alles ständig. Ich rede nicht davon, dass da keine Liebe da war. Ganz im Gegenteil, da ist unglaublich viel Liebe da. Und auch Interesse und Dankbarkeit.
Und dennoch fehlte mir etwas. Nur der Haushalt und die Kinder, ab und an mal ein Kaffee mit einer Freundin, jeden Tag auf den Spielplatz, usw. das war irgendwie nicht auslastend für mich. Nach Jews Elternzeit fing ich auch wieder an zu arbeiten, nur leider war dieser Job auch alles andere als erfüllend. Ich langweilte mich dort ebenfalls, weil wortwörtlich nichts zu tun war.
Als ich dann mit Pippi schwanger wurde, war das ein schöner Weg raus aus dieser Situation. Nach Pippilottas Geburt war ja auch einiges zu tun, es war aufregend und neu und manchmal auch überfordernd.
Wir kamen nach Mexiko und das erste, was unsere Vermieterin zu uns sagte, war: “Ihr braucht eine Muchacha. Du allein mit dem Haus und den drei Kindern, nein, das kann nicht sein!” Also organisierte sie uns in Null Komma Nix eine Haushaltshilfe. Und zwar eine, die unter der Woche bei uns wohnt, weil sie so weit außerhalb wohnt, dass sie nicht jeden Tag hin und her fahren kann. Und es war himmlisch! Es ist ein Privileg, sie in unserem Haus zu haben, ich liebe sie so sehr und ich werde sie schmerzlichst vermissen! Niemals war es so sauber und ordentlich in meinem Haus. Ich musste nicht mehr wischen und bügeln, was ich wirklich hasse.
Kurz darauf stellten wir noch eine Nanny ein, damit ich mehr Freiraum hatte. Pippilotta war ja nicht im Kindergarten und auch ausgehen wollten (und sollten) wir ab und an. Eigentlich wollten wir nur jemand für 2 Nachmittage in der Woche, aber es ergab sich anders. Kurzum: Ich war auf einmal frei für alles.
Ich bin frei für alles – und von allem
Ich bin also frei, alles zu tun, was mir Spaß macht. Klingt das nicht toll?! Ganz ehrlich: so toll das klingt, war es nicht. Ich weiß, dass es ein Privileg ist, diese Hilfe zu haben und frei zu sein, von den täglichen Pflichten. Aber die Übelkeit wurde immer schlimmer. Ich war ständig mit meinem Körper beschäftigt. Ich wollte mir etwas suchen, nur für mich. Ging zur Mani- und Pediküre, mit Freunden und Bekannten ins Café, ich ging shoppen und machte alles, was so nett klingt. Ich versuchte einen Spanischkurs an der Uni (den ich bald wieder abbrach). Aber es ging mir immer schlechter.
Arbeiten hier ist für mich nicht so einfach. Ich hätte mich ehrenamtlich engagieren können, fühlte mich aber wie gehemmt, zutiefst blockiert. Die Sprache, die ich nicht einwandfrei beherrschte, der Verkehr, der mir wie eine Mauer um mein Haus vor kam. Und natürlich: die Übelkeit. Ich war wie gelähmt, konnte nicht aktiv werden.
So machte ich an vielen Tagen einfach nichts Produktives. Ich sagte immer öfter Verabredungen ab, lag viel im Bett und las (oder surfte zu viel in Sozialen Netzwerken umher). Meine Tage bestanden aus langweiligen Vormittagen, dem Überlegen, was es zu Mittag geben könnte und Nachmittagen mit den Kindern. Die täglichen Kämpfe um Hausaufgaben und Zähneputzen wurden mir immer lästiger, ich hatte das Gefühl, dieses Leben nicht mehr auszuhalten. Ich zweifelte wirklich an meinen Mutterqualitäten! Wo das Problem liegt, konnte ich wirklich nicht erkennen. Es musste die Stadt sein, die neue Situation, das Leben weit weg von zu Hause, das mich so fertig machte. Ich musste doch nur einen Weg finden, damit umzugehen.

Mama Boreout – mein Leben ist mir langweilig
Seit ein paar Tagen bin ich nun wieder mehr mit meiner besten Freundin in Kontakt, die mich länger als mein halbes Leben kennt. Und sie schrieb mir, dass es da so etwas wie Langeweile in ihrem Leben gibt. Eine Langeweile, die sie Dramen produzieren lässt.
Und ich saß da, las ihre Nachricht und dachte: Verdammt ja! Das ist der Punkt. Mein Leben ist so langweilig, dass mein Körper Dramen produziert. Ich muss mich um gar nichts kümmern, mir wird jeder Handgriff abgenommen. Während der Mann jeden Tag in der Arbeit die Welt rettet, sitze ich zu Hause und habe nichts zu tun. Wo ist mein Auftrag? Wo ist meine Wertschätzung? Wohin mit meiner Energie, mit meinem Wissensdurst, meinem Geist und meinem Wissen? Immer nur der selbe, sich widerholende Alltag zwischen Einkaufen gehen und Kindergeburtstagen. Gefangen im goldenen Käfig. Und irgendwo las ich, der goldene Käfig ist zwar golden, aber immer noch ein Käfig!
Mama Boreout ist meine selbst gestellte Diagnose. Und auch aus einem Boreout kommt man in eine Depression. Und genau da befinde ich mich. Es hat verdammt lang gedauert, bis ich das feststellte (oder besser meine Freundin, die das für uns feststellte). Aus lauter Langeweile Dramen zu produzieren, damit ich auch etwas habe, was mich beschäftig hält. Was mich auch wichtig macht, was zeigt, dass ich auch da bin.
Was folgt also jetzt?
Zunächst einmal ist da die Erkenntnis, die mich wirklich wie der Blitz getroffen hat. Endlich eine Ahnung zu haben, was bei mir vor sich geht, worum es hier wirklich geht, ist eine große Sache. So viele Gespräche, so viel Arbeit an mir und meinem Körper, die nicht in diese Richtung geholfen haben (NATÜRLICH war das alles nicht umsonst! Und ich werde all das beibehalten und weiter an mir arbeiten). Immer war die Rede von Stress. Und ich konnte ihn nicht sehen. Dass Boreout auch Stress ist, wurde mir erst jetzt klar. Gerade fühle ich mich wie berrauscht von dieser neuen Erkenntnis und dem Gefühl, jetzt vielleicht endlich etwas ändern zu können!
Was jetzt kommt, ist die Kozentration auf meinen Fernlehrgang. Im November habe ich mit dem “Mentalrainer” angefangen – in erster Linie, um mir selbst zu helfen und weil mich das Thema sehr interessiert. Heute habe ich es geschafft, die ersten Aufgaben abzuschicken, vor denen ich mich lange gedrückt habe, weil es bisher an Motivation fehlte. Ich will mir feste Zeiten nehmen, um zu lernen und mich weiter einzulesen. Mein Ziel ist, mit einer guten Note abzuschließen.
Nebenbei werde ich mich um den Umzug kümmern und jetzt wieder vieles selbst in die Hand nehmen. Ich werde ausmisten, mich mit Französich beschäftigen und Kontakt zu Umzugsunternehmen aufnehmen. Ich will Dinge tun, vor denen ich mich bisher gedrückt habe (den Fensterputzer kommen lassen, die Teppiche reinigen lassen, neue Gardinen kaufen,…).
Ich werde mich weiter im Handlettering üben und mein Bulletjournal gestalten. Auch in Brüssel, wenn die Unterstützng im Haushalt wieder wegfällt, will ich versuchen, bei mir zu bleiben und weiter Dinge zu tun, die mich ausfüllen. Vielleicht ja auch dort schon wieder einen Job, den ich mag. Ich werde mal anfangen, zu träumen und zu visualisieren.
Die Leere, die sich da in mir breit gemacht hat, das Gefühl des Unnützseins, die Langeweile – der Mama Boreout und das daraus resultierende Drama meines Körpers: Ich will das nicht mehr. Ich schaffe mir einen Auftrag, um den Kindern wieder die Mutter sein zu können, die sie verdienen. Und dem Mann die Frau, die er einmal geheiratet hat. Und um mich zu befreien und wieder ich selbst zu werden.
Kennst du Phasen der Langeweile? Im Job oder gar den Mama Boreout? Langeweile trotz Beschäftigung? Was tust du dagegen?